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Ökonomie der Medieninhalte.
Allokative Effizienz und Soziale Chancengleichheit in den Neuen Medien
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4.3 Modelle der privaten Bereitstellung homogener öffentlicher Güter im Wettbewerb mit Preisdifferenzierung

Ein Markt für ein homogenes öffentliches Gut gerät bei Lindahl-Preisen in ein wohlfahrtsoptimales Gleichgewicht. Da jeder Medieninhalt für sich ebenfalls ein öffentliches Gut ist, liegt die Frage nahe, ob auch hinsichtlich der Vielfalt und der Qualität des Inhalteangebots der Markt erst mit differenzierten Preisen im Sinne Lindahls das Wohlfahrtsoptimum erreicht. Keines der in der Literatur entwickelten wirtschaftswissenschaftlichen Modelle integriert jedoch sowohl Quantität, Vielfalt und Qualität und lässt zugleich Preisdifferenzierung zu. Statt dessen liegen mit den Modellen von Thompson (1968), Demsetz (1970) und Oakland (1974) Versuche vor, die private Bereitstellung öffentlicher Güter im Wettbewerb unter Zulassung von Preisdifferenzierung, aber ohne Produktdifferenzierung abzubilden. Der kurzen Darstellung dieser Modelle folgt ab Kapitel 4.4 die Diskussion von Beiträgen zur Theorie des monopolistischen Wettbewerbs, welche die Marktergebnisse bezüglich der Angebotsvielfalt und teilweise auch bezüglich der Produktqualität behandeln. Leider gibt es kein umfassendes Modell, das die Wirkung von Preisdifferenzierung nicht nur auf die Produktdifferenzierung, sondern auch auf die Produktqualität untersucht. Mit einfachen Mitteln kann aber abschließend gezeigt werden, dass es ein Schema differenzierter Preise gibt, das mit Lindahl-Preisen vergleichbar ist und das Wohlfahrtsoptimum auch am Markt für Medieninhalte herbeiführt.


4.3.1 Das Thompson-Modell

In seinem Aufsatz ,,The Perfectly Competitive Production of Collective Goods" unternimmt Thompson (1968) den ältesten bekannten Versuch, die private Bereitstellung eines homogenen öffentlichen Gutes im Wettbewerb in einem Modell abzubilden. Thompson macht die folgenden Annahmen:

(1) Das produzierte Gut ist nicht rival im Konsum, Exklusion ist kostenlos möglich, die einzelnen Einheiten sind homogen und der Grenznutzen der einzelnen Einheiten ist abnehmend. Ein Beispiel für ein solches Gut sind Fernsehsendeminuten mit gleichwertigen Inhalten. >>168<<

(2) Es gibt eine Vielzahl von Produzenten, und die Grenzkosten der Produktion eines jeden Anbieters verlaufen steigend. Da der Marktzugang offen ist, treibt der Anbieterwettbewerb die Profite auf null herunter.

(3) Die Anbieter können jeder für sich perfekte Preisdifferenzierung betreiben. Da die Grenzkosten der Befriedigung eines Nachfragers mit einer bereits produzierten Einheit gleich null sind, erhält jeder Nachfrager jede Einheit des Gutes. Die zu zahlenden Preise sind verschieden zwischen den einzelnen Nachfragern, aber für ein Individuum haben alle Einheiten den gleichen Preis.

Thompson (1968) fordert zu Recht von einem Marktgleichgewicht unter diesen Bedingungen, dass (1) die Grenzkosten der Produktion der Anbieter gleich den Grenzerlösen der produzierten Einheiten am Markt sind und (2) der Preis, den ein Nachfrager je Einheit des Gutes zu zahlen hat, seinem Grenznutzen entspricht. Kaum nachvollziehbar ist jedoch Thompsons Vermutung, dass die Nachfrager den Grenznutzen nicht allein über den zusätzlichen Bruttonutzen der zuletzt konsumierten Einheit definieren, sondern zusätzlich die preissenkende Wirkung auf die intramarginalen Einheiten bewerten. Diese besteht darin, dass mit dem abnehmenden Grenznutzen bei einer Konsumausdehnung auch der Preis für alle intramarginalen Einheiten sinkt, wenn der Preis für alle Einheiten dem Bruttonutzen der letzten Einheit entspricht. Kann ein Konsument unter diesen Bedingungen seinen Konsum ausweiten, so nimmt seine Konsumentenrente der intramarginalen Einheiten zu. Thompson erwartet nun von den Nachfragern in seinem Modell, dass sie diese Zunahme der Konsumentenrente in ihre Grenznutzenrechnung aufnehmen und ihre Zahlungsbereitschaft entsprechend erhöhen. (Vgl. Thompson 1968; Thompson 1969)

Die Nachfragekurve, die den Verlauf der so gebildeten Zahlungsbereitschaften bei jeder denkbaren Konsummenge abbildet, zeigt Preis-Mengen-Kombinationen (zu Preisen pro Einheit) an, zu denen der Nachfrager nahezu indifferent zwischen Konsum aller Einheiten und dem Konsum keiner einzigen Einheit ist. Das Ergebnis ist dasselbe wie bei der Forderung eines perfekt differenzierten AON-Preises durch einen Monopolisten, durch den ebenfalls die gesamte Konsumentenrente abgeschöpft wird. Ein Monopolist maximiert damit seine Produzentenrente und produziert eine pareto-optimale Menge des Gutes. Im Wettbewerb jedoch würde diese hohe Produzentenrente so viele Anbieter anlocken, dass der Konkurrenzdruck die Produktionsmenge so weit nach oben treibt, dass die Profite zurück auf null sinken. Bei einem linearen Verlauf der Nachfragekurven ist diese Produktionsmenge im Gleichgewicht genau doppelt so groß wie die pareto-optimale Menge. Da es weder Produzenten- noch Konsumentenrente gibt, könnte genau so gut ganz auf die Produktion des öffentlichen Gutes verzichtet werden.

Thompson schränkt dieses Ergebnis insofern ein, als es den Anbietern im Wettbewerb nicht immer möglich sein dürfte, mit den Preisen genau die >>169<< Zahlungsbereitschaft der Nachfrager zu treffen. Da die Preise unter solchen Umständen niedriger sein müssen als die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager, könne die Produktionsmenge eventuell sogar unter dem optimalen Niveau liegen. Reicht dieser Effekt aber nicht aus, um eine Produktionsmenge über dem wohlfahrtsoptimalen Niveau zu verhindern, schlägt Thompson (1968) eine Steuer auf die Güter vor, um die Nachfrage um einen entsprechenden Wert zu senken.

Thompsons Annahme über die Bildung der Nachfragekurve an einem Markt für öffentliche Güter im Wettbewerb stößt in der Literatur auf Ablehnung oder wird - da kaum nachvollziehbar - missverstanden.91 In der Tat fällt es schwer zu glauben, dass ein Nachfrager bei einem Wettbewerb vieler Anbieter freiwillig seine gesamte Konsumentenrente aufgeben sollte. Das würde im Gegensatz zu allen anderen Märkten einen Nachfrager voraussetzen, der die Preisforderungen der einzelnen Anbieter nicht als gegeben, sondern als durch die nachgefragte Gesamtmenge beeinflussbar ansieht. Zusätzlich würde eine solche Person bei jeder Kaufentscheidung nicht nur daran denken, ob das Gut den geforderten Preis wert ist, sondern auch noch berechnen, wie sehr der Kauf des Gutes den Preis aller anderen zu erwerbenden Güter senkt. Es ist schwierig, sich einen Markt mit Handlungsanreizen vorzustellen, unter denen man selber sich so verhalten würde.


4.3.2 Das Demsetz-Modell

Demsetz (1970) legt seinem Modell im Wesentlichen die gleichen Annahmen zugrunde wie Thompson (1968). Auch er unterstellt den Anbietern, dass sie perfekte Preisdifferenzierung zwischen den einzelnen Nachfragern betreiben können. Im Unterschied zu Thompsons Modell akzeptieren die Nachfrager bei Demsetz die Preise jedoch als gegeben und versuchen unter diesen Bedingungen ihren Nutzen zu maximieren. ,,The reason that the buyer takes the price as given in the public good case is the same as the reason that he takes it as given in the private good case. There is no individual action that he can take to lower the price that he pays that is worthwhile for him to take." (Demsetz 1970: 299) Zwar könnte der Nachfrager andere mit der Drohung unter Druck setzen, seine Nachfrage zurückzuhalten und damit sowohl die Angebotsmenge zu senken als auch die Preise zu erhöhen. Jedoch wären die Auswirkungen bei >>170<< hinreichender Größe des Marktes für den einzelnen kaum spürbar. (Vgl. Demsetz 1970: 299f)

Das Modell ist dann im Gleichgewicht, wenn das in Kapitel 4.2.2 beschriebene Lindahl-Gleichgewicht erreicht ist: jeder Nachfrager konsumiert jede produzierte Einheit, der vom einzelnen erzielte Grenznutzen entspricht dem zu zahlenden Preis, und die Summe der Grenznutzen (und damit der Grenzerlös) entspricht den Grenzkosten der Produktion. Eine Wiedergabe der Argumentation von Demsetz scheint nicht mehr notwendig, da sie weitgehend deckungsgleich mit Darstellungen dieser Arbeit ist. Für Verwirrung sorgen allerdings Demsetz' Darstellungen, auf welche Weise die Anbieter die Preisdifferenzierung betreiben. Teilweise scheint es, als würden die Nachfrager ihre marginalen Zahlungsbereitschaften freiwillig offen legen (vgl. Demsetz 1973: 403). Lediglich bei der Darstellung des Modells macht Demsetz (1970) deutlich, dass es sich in seinem Modell um eine Preisdifferenzierung dritten Grades nach Pigou handelt. Die Anbieter ordnen jeden Nachfrager eindeutig und ohne Kosten einer von drei Nachfragergruppen zu, welche unterschiedlich verlaufende Nachfragekurven aufweisen. Innerhalb der Gruppen haben die Nachfrager eine vollkommen identische Nachfrage, und Arbitrage ist ausgeschlossen.

Obwohl Demsetz (1970) als ausdrückliches Beispiel das Fernsehangebot wählt, ist sein Modell nur begrenzt auf den tatsächlichen Medienmarkt übertragbar. Schmitz (1990) weist daher darauf hin, dass im Gegensatz zu Demsetz' Modellmarkt ,,die von den Rundfunkunternehmen angebotenen Produkte alles andere als homogen sind" und es eine solche Vielzahl von Programmen gibt, dass der Konsum des gesamten Angebots schon technisch nicht möglich ist. Es ist daher unerlässlich, auch die Bedeutung von Vielfalt und Produktdifferenzierung bewerten zu können.


4.3.3 Das Oakland-Modell

Oakland stellte 1974 ein Modell der privaten Bereitstellung öffentlicher Güter im Wettbewerb vor, welches auf interpersonelle Preisdifferenzierung verzichtet und trotzdem ein Gleichgewicht erreicht. Ähnlich wie bei Thompson (1968) und Demsetz (1970) ist das gehandelte homogene Gut nicht rival im Konsum, und Exklusion ist möglich. Die Anbieter stehen im Wettbewerb zueinander, und ihre einzelne Marktmacht ist vernachlässigbar. Die Nachfrager sind wie bei Demsetz (1970) Preisnehmer und Nutzenmaximierer, jedoch sind ihre Präferenzen und damit die Verläufe ihrer Nachfragekurven weitgehend unbekannt. Eine Aufteilung der Nachfrager in einzelne Nachfragergruppen, denen die gleichen Güter zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden, ist daher unmöglich; die Anbieter einer Einheit des Gutes müssen von jedem Nachfrager den gleichen Preis fordern. >>171<<

Wird eine Einheit des Gutes an alle (n) Nachfrager verkauft, so muss der Preis (P) zur Kostendeckung den n-ten Teil der Kosten (C) betragen. Wenn alle Nachfrager gleiche Präferenzen und Kaufkraft haben, dann wird der Preis für alle Güter gleich sein, und das Gleichgewicht des Marktes wird das Lindahl-Gleichgewicht einnehmen. Wenn die Präferenzen jedoch verschieden sind, gibt es eine maximale Menge des Gutes, die zum Preis von C/n abgesetzt werden kann. Über diese Menge hinaus besteht aber immer noch eine ungedeckte Nachfrage bei einem kleineren Teil der Konsumenten. Ihnen können weitere Einheiten des Gutes verkauft werden, wobei sie aber einen um so höheren Preis zu zahlen haben, je weniger Nachfrager sich durch Zahlung des Preises an den Herstellungskosten beteiligen. ,,In general, therefore, some form of price discrimination will emerge from the process of competition. Such price discrimination takes the form of different prices for different units of the collective good." (Oakland 1974: 934) Auf diese Weise sind bis zu n verschiedene Preise möglich, vorausgesetzt, die Produkteinheiten sind hinreichend klein und die individuellen Nachfragekurven sind hinreichend verschieden.

Alle Einheiten des Gutes, die zu einem Preis größer als C/n verkauft werden, sind durch eine ,,excess capacity" gekennzeichnet, da der Preis Konsumenten ausschließt, obwohl sie zu Kosten von null bedient werden könnten (Oakland 1974: 934). Dieser Wohlfahrtsverlust aufgrund von Unternutzung der produzierten Güter ist im Wettbewerb unvermeidlich, da die Anbieter keine interpersonelle Preisdifferenzierung betreiben können. Sie müssten daher für alle Nachfrager ihre Preise senken, wenn sie die zu einem hohen Preis ausgeschlossenen Nachfrager bedienen wollen. Zu einem niedrigeren Preis werden sie aber niemals genug Käufer finden, wenn die Marktpositionen bei niedrigeren Preisen schon durch andere Anbieter gesättigt sind.

Neben dem Wohlfahrtsverlust aufgrund von Unternutzung stellt Oakland auch noch einen Wohlfahrtsverlust aufgrund von Unterproduktion fest. Um dies nachzuvollziehen, reicht es, sich für jeden Nachfrager abnehmende, aber niemals negative Zahlungsbereitschaften vorzustellen. Wie die Darstellung zum Lindahl-Gleichgewicht zeigt (4.2.2), stellt sich das wohlfahrtsoptimale Gleichgewicht dann ein, wenn die Summe aller marginalen Zahlungsbereitschaften den Grenzkosten der Produktion entspricht. Im Oakland-Gleichgewicht werden jedoch Nachfrager vom Konsum der marginalen Einheiten ausgeschlossen. Wenn ihre positive Zahlungsbereitschaft für die marginale Einheit zu den Produktionskosten beitragen könnte, würde die Gleichgewichtsproduktion ausgedehnt werden. Im Extremfall, bei dem alle anderen als die ,,Maximalnachfrager", die im Oakland-Gleichgewicht die marginale Produktion nachfragen und allein finanzieren, für die marginale Produktion eine Zahlungsbereitschaft von null haben, ist die optimale >>172<< Produktionsmenge immer noch genau so groß wie im Oakland-Gleichgewicht. ,,In no event will overproduction be the case" (Oakland 1974: 938). Allerdings würden bei dieser Konstellation in einem Lindahl-Gleichgewicht ausschließlich die Maximalnachfrager die gesamte Produktion finanzieren, während alle anderen Nachfrager völlig kostenlos versorgt würden.

Das Oakland-Modell überzeugt aufgrund seiner Einfachheit und ist in sich schlüssig. Trotzdem ist es nicht in der Lage, die Wirklichkeit am Markt für Medieninhalte zutreffend abzubilden, da es hier an der Homogenität der Güter mangelt. Einen Ausschluss von Nutzern über den Preis homogener Güter kann man daher fast nirgendwo beobachten. Am ehesten entspricht dem Oakland-Modell noch die Preissetzung der cable networks in den USA, die für ihren basic cable service einen niedrigen, von allen Kabelkunden zu zahlenden Preis, für einzelne premium service channels aber deutlich höhere Preise verlangen. Diese Kanäle werden daher nur von Kabelkunden mit besonders hoher Kaufkraft oder hohem Bedarf nach Fernsehkanälen abonniert. Ähnliches zeichnet sich auch in Deutschland mit den Angeboten der hochpreisigen Abonnementsender Premiere oder DF-1 ab. Deutlicher Unterschied zum Oakland-Modell sind aber die Qualitätsunterschiede der hochpreisigen Zusatzoptionen zum Basisangebot. Sowohl in Deutschland als auch in den USA legen diese Sender einen großen Wert auf attraktive Inhalte und Werbungsverzicht.

    91 Borcherding (1978) interpretiert Thompsons Anbieter als Kartell, das gemeinsam einen AON-Preis fordert; ähnlich auch Rodgers (1969). Owen (1969) gar lehnt Thompsons Modell ab, ohne überhaupt verstanden zu haben, um welche Art Gut es sich dabei handelt. Demsetz (1970) lehnt es ganz ab, sich mit Thompsons Modell auseinanderzusetzen. ,,[T]he model [. . .] so strains the concept of competition that a full discussion of the Thompson paper would carry us far beyond our subject." (Demsetz 1970: 296, fn.2)

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