Ökonomie
der Medieninhalte. 4 Mikroökonomische Theorie der Medieninhalte4.1 Die Werte einer ökonomischen Theorie der Medieninhalte 4.1.1 Individuelle Wertezuweisung Zentrale Grundlage einer ökonomischen
Theorie ist die bei den beobachteten Phänomenen vorgenommene Wertezuweisung.
Erst mit ihr können die zentralen Parameter herausgestellt und
sinnvoll in ein Wirkungsgefüge eingearbeitet werden. Der in den
Wirtschaftswissenschaften allgemein vertretene Weg einer Wertzuweisung
ist die individuelle Wertezuweisung im Sinne des methodologischen Individualismus
von Schumpeter (1908). ,,Wertmaßstab und Ziel ist die Maximierung
der individuellen Wohlfahrt. Diese Norm entspricht liberaler Grundposition:
Jeder Mensch kennt seine Bedürfnisse selbst am besten, und grundsätzlich
sind allein diese als Wertmaßstab zu akzeptieren". (Heinrich
1992: 232f) Der Werteindividualismus entspricht auch Buchanans (1984)
Demokratieanspruch, nach dem eine Situation ,,so lange als `gut' [gilt],
wie sich die einzelnen ihre Wünsche, welcher Art auch immer, erfüllen
können. Einzige Einschränkung ist das Prinzip wechselseitigen
Einverständnisses." (Buchanan 1984: 3) Die individuelle Wertezuweisung ist die Grundlage der freiwilligen Entscheidungsabstimmung auf freien Märkten. Hier werden die persönlichen Bedürfnisse von allen Beteiligten in Form der Marktnachfrage ausgedrückt. Auch externe Effekte lassen sich gemäß dem Coase-Theorem als Nachfrage nach Handlungsänderungen Dritter formulieren (vgl. Richter und Furubotn 1996: 100-107). Durch freiwillige Verhandlungen werden Güter und Dienste so lange ausgetauscht, bis die Bedürfnisse aller so gut wie möglich aufeinan- >>137<< der abgestimmt sind. Erst wenn niemand mehr besser gestellt werden kann, ohne einen anderen schlechter zu stellen, ist das wohlfahrtsoptimale Pareto-Optimum erreicht. Ziel einer ökonomischen Theorie der Medieninhalte ist es, zu bestimmen, welchen Bedingungen ein Markt für Medieninhalte unterliegen muss, damit die Marktteilnehmer durch freiwillige Austauschprozesse das Pareto-Optimum erreichen können. 4.1.2 Quantität des Inhalteangebots Der Wohlstand einer Gesellschaft hängt entscheidend von der Menge der angebotenen Güter ab. Wenn es zu wenig Lebensmittel gibt, hungern die Menschen, und je größer das Angebot an Wohnraum ist, desto mehr Platz steht jedem Menschen zur persönlichen Verfügung. Auch bei öffentlich bereitgestellten Leistungen ist die Quantität in der Regel von überragender Bedeutung: Die Zahl der Lehrer, die Größe der Parks und die Dichte des Verkehrsnetzes entscheiden über den individuellen Nutzen aus dem Schul-, Erholungs- und Verkehrsangebot. Bei Medieninhalten ist die Zahl der angebotenen Inhalte jedoch von eher geringer Bedeutung, da (1) aufgrund der Nichtrivalität im Konsum keine Knappheit an der Versorgung mit einem schon produzierten Inhalt besteht und es (2) aufgrund der Zeitintensität der Inhaltenutzung ohnehin eine Obergrenze des technisch möglichen Konsums gibt. Es ist daher bei einem Angebot von Medieninhalten nicht so sehr ein ,,Mehr desgleichen", mit dem die Wohlfahrt steigt, sondern vielmehr die Genauigkeit und die Stärke, mit der ein Inhalt die Bedürfnisse eines einzelnen Nachfragers befriedigt. Da Bedürfnisse und Geschmack der Inhaltenachfrager verschieden sind, ist die Genauigkeit der Bedürfnisbefriedigung abhängig von der Vielfalt verschiedenartiger Inhalte, die das Gesamtangebot bereithält. Die Stärke der Bedürfnisbefriedigung ist um so größer, je höher die Qualität des einzelnen, tatsächlich konsumierten Inhalts ist. Neben der Quantität müssen also auch Vielfalt und Qualität des Inhalteangebots betrachtet werden. 4.1.3 Vielfalt des Inhalteangebots Das Konzept Angebotsvielfalt lässt sich noch am ehesten mit der Angebotsquantität vergleichen. Angebotsvielfalt geht dann aus der Angebotsquantität hervor, wenn sich die einzelnen Einheiten des Angebots in wesentlichen Charaktereigenschaften unterscheiden und damit unterschiedlichen Bedürfnissen der Nachfrager entsprechen. Im Gegensatz zur Angebotsquantität, welche zunächst lediglich eine Angebotsvielzahl darstellt, bietet die Angebotsvielfalt in jedem Fall einen Zusatznutzen für die Nachfrager. Je größer die Angebotsvielfalt ist, desto größer ist die Zahl der Nachfrager, deren Bedürfnisse genau durch einen angebotenen Medieninhalt befriedigt werden können. Heinrich (1994: 105) liegt falsch, wenn er mutmaßt: ,,Ob und in welchem Umfang >>138<< ökonomischer Wettbewerb zu Vielfalt führt, kann nicht genau gesagt werden, weil dies kein Thema für die Wirtschaftswissenschaft ist." Tatsächlich beschäftigen sich die Theorien des monopolistischen Wettbewerbs gerade mit der Befriedigung der Nachfrage nach Vielfalt durch den Markt. Der Wertschätzung von Vielfalt müssen allerdings auch die zusätzlichen Herstellungskosten weiterer Produktvarianten gegenübergestellt werden. Sind diese größer als die dadurch erfolgende Nutzensteigerung, so senkt eine Zunahme der Vielfalt die soziale Wohlfahrt, und das optimale Vielfaltsniveau wird überschritten. Entman und Siwek (1992) unterscheiden die Ideenvielfalt (,,idea diversity") von der Produktvielfalt (,,product diversity" als Angebot verschiedener Varianten ähnlicher Inhalte) und von der Zugangsvielfalt (,,access diversity" als Grad der Durchlässigkeit des Mediensystems für unterschiedliche Ideen und Ansichten). Besonders aus publizistischer Sicht ist die Ideenvielfalt von Bedeutung. Von ihr hängt ab, in welchem Umfang die Menschen mit ,,distinct thoughts, analyses, criticisms, and the like that are available on issues of social and political importance" konfrontiert werden (Entman und Wildman 1992: 8). Stabilität und Fortschritt zugleich hängen in einer Demokratie von der durch die Bürger aufgenommenen und reflektierten Vielfalt unterschiedlicher und zuweilen neuer Positionen ab. Die Ideenvielfalt unterliegt besonderen Gefahren der Unterversorgung, wie die Darstellung von Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz in Kapitel 2.2.8.1 zeigt. Danach verspüren die Nachfrager kaum unmittelbaren Bedarf nach abweichenden Ideen. Statt dessen sind sie vielmehr auf der Suche nach solchen Ansichten, die mit ihren bisherigen Ansichten im Einklang stehen. Fehlt aber die Nachfrage nach einer Vielfalt verschiedener Ideen, so wird der Markt nur ein unzureichendes Angebot bereitstellen. Eine weitere wichtige Einordnung der Angebotsvielfalt am Medienmarkt erfolgt in statische und dynamische Vielfalt (vgl. Heinrich 1994: 105f). Statische Vielfalt liegt zu einem Zeitpunkt vor und stellt die Vielfalt der in unmittelbarer Konkurrenz zueinander stehenden Angebote dar. Dynamische Vielfalt dagegen umfasst alle Angebote über eine längere Zeitspanne hinweg. Sie kann auch dann hohe Werte annehmen, wenn die statische Vielfalt zu allen Zeitpunkten sehr klein ist, die angebotenen Inhalte selbst jedoch einem raschen Wechsel aufgrund von Modeströmungen oder ähnlichen Einflüssen unterliegen.78 >>139<< Eine empirische Erfassung von Vielfalt ist schwierig, da die Grenzziehung zwischen den einzelnen Kategorien immer willkürlich ist und die Zuordnung der Inhalte nach subjektivem Ermessen erfolgt.79 Auf der Grundlage solcher Untersuchungen ist es daher nicht möglich, objektiv festzustellen, welche Inhalte in zu geringem Umfang am Markt bereitgestellt werden und daher einer Unterstützung bedürfen. (Vgl. Schmitz 1990: 263) Ähnlich wie die Angebotsvielfalt ist auch die Qualität der einzelnen Inhalte eine ,,komplexe Größe" (Schröder 1997: 29), die nur mit Hilfe subjektiver Maßstäbe bewertet werden kann. Während eine große Vielfalt für eine hohe Wahrscheinlichkeit steht, dass die Bedürfnisse eines Nachfragers genau befriedigt werden (der Geschmack getroffen wird), steht die Qualität des einzelnen Inhalts für die Stärke, in der dies geschieht. Sowohl die Vielfalt des Angebots als auch die Qualität der einzelnen Einheiten sind in der Regel abhängig von den auf die Inhalteproduktion verwendeten Ressourcen. Da die zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind, besteht ein direkter Trade-off zwischen diesen beiden Parametern. Die Modelle des monopolistischen Wettbewerbs werden daher in der Regel so konstruiert, dass es ein wohlfahrtsoptimales Verhältnis von Vielfalt und Qualität gibt (vgl. Kapitel 4.4). Jede Abweichung von diesem Verhältnis bringt bei unverändertem Ressourceneinsatz eine Wohlfahrtsverschlechterung. 78 Levin (1980: 54) unterscheidet mit seinem eigenen Klassifikationsschema der Fernsehvielfalt zwischen einer Vielfalt der Quellen (Zahl der unabhängigen Anbieter) und einer Vielfalt der Programme. Die Programmvielfalt spaltet sich weiter auf in eine horizontale und vertikale Vielfalt sowie eine Typen- und Optionenvielfalt. Für eine allgemeine Betrachtung von Angebotsvielfalt ist dieses Schema jedoch von geringer Bedeutung. |
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