Ökonomie
der Medieninhalte. 5.2 Der Demand-Revealing-Process nach Clarke Das CPDG-Verfahren würde schon funktionieren, wenn die teilnehmenden Nachfrager in einer Gruppe lediglich mit ,,Ja" oder ,,Nein" über den Ewerb eines angebotenen Nutzungsrechtes abstimmen würden. Trotzdem ist es aus mehreren Gründen von Vorteil, die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager genau zu ermitteln, wie die folgenden Abschnitte darstellen werden. Statt also lediglich die Zahl der kaufbereiten der Zahl der kaufunwilligen Gruppenmitglieder gegenüberzustellen, werden alle individuellen Zahlungsbereitschaften erfasst und summiert. Je nach dem, ob der vom Anbieter geforderte Preis höher oder niedriger ist als die aggregierte Zahlungsbereitschaft der Gruppe, wird das Angebot abgelehnt oder angenommen. Damit dieses Vorgehen funktioniert, muss man dafür sorgen, dass die Abstimmungsteilnehmer ehrlich abstimmen. Im Gegensatz zu einfachen Ja/Nein-Abstimmungen lohnt es sich nämlich für die CPDG-Teilnehmer, ihre Zahlungsbereitschaft zu unter- oder übertreiben, um das Abstimmungsergebnis in die bevorzugte Richtung zu beeinflussen. Dieses Problem ist das gleiche wie bei der Erfassung von Präferenzen für öffentliche Güter, um entweder Lindahl-Preise zuzuweisen oder nur um eine optimale Bereitstellungsmenge zu bestimmen. Bei beiden Verwendungszwecken führt eine einfache Befragung zu unehrlichen Antworten, da sich die Befragten durch eine Verschleierung ihrer wahren Präferenzen Vorteile verschaffen können. (Vgl. Samuelson 1954: 389) Geringe Probleme bei der Offenlegung der wahren Präferenzen gibt es dann, wenn die Zahl der Beteiligten gering ist. Das Beispiel der zwei Inselbewohner Caio und Tizio von Buchanan (1968) in Kapitel 4.2.2 zeigte bereits, dass bei nur zwei Personen durchaus ein Lindahl-Gleichgewicht mit unterschiedlichen Beiträgen zu den Herstellungskosten eines öffentlichen Gutes erreicht werden kann. Auch bei wenigen weiteren Personen können Verhandlungen noch zu annähernd wohlfahrtsoptimalen Ergebnissen führen. Bei vielen Personen geraten Verhandlungen jedoch an die Grenze des zumutbaren Verhandlungsaufwands. Zudem ist es nahezu unmöglich, den Teilnehmern den Eindruck zu vermitteln, dass ihr persönlicher Kostenbeitrag für das öffentliche Gut einen spürbaren Einfluss auf ihr Wohlergehen hat. (Vgl. Buchanan 1968: 84-86) Wenn die Präferenzen sehr homogen sind, kann mit Knut Wicksells Forderung nach annähernder Einstimmigkeit auch bei einer großen Zahl Beteiligter ein ehrliches und damit wohlfahrtsoptimales Abstimmungsverhalten über die Bereitstellung und Finanzierung öffentlicher Güter erreicht werden (vgl. Buchanan 1968: 95f; Wicksell 1958 (1896)). Auch die von Schmidtz >>224<< (1991) vorgeschlagene Versicherungslösung, bei der (gleiche) Beiträge zu einem gewünschten Projekt nur dann gezahlt werden sollen, wenn alle Beteiligten die Zahlung zugesagt haben, ist auf Homogenität der Präferenzen angewiesen. Gleiches gilt für das von Taylor (1987) vorgeschlagene ,,Tit for Tat-Spiel", bei dem die Mitglieder einer Gemeinschaft, die sich unkooperativ verhalten, durch unkooperatives Verhalten aller anderen Mitglieder in nachfolgenden Perioden bestraft werden. (Vgl. Miller 1993) Die Gruppen für das CPDG-Verfahren haben aber weder besonders wenige Mitglieder noch weisen die Mitglieder mit Gewissheit homogene Präferenzen in Bezug auf einzelne Medieninhalte auf. Um unter diesen Bedingungen die Teilnehmer bei Abstimmungen zu ehrlichen Angaben ihrer Zahlungsbereitschaft für eine öffentliches Gut zu bewegen, müssen besondere Anforderungen erfüllt werden, die Tideman (1977: 8) folgendermaßen beschreibt: ,,Each participant must receive payment (or pay a tax) which can be described as some function that is independent of the participant's response, plus the net benefit (or minus the net cost) to all other participants of the action taken, compared to the action that would have been taken if the participant under consideration had made some other, predetermined response."119 Die erste der von Tideman genannten Bedingungen wird beim CPDG erfüllt: Mit seiner Abstimmungsteilnahme hat das Gruppenmitglied keine Möglichkeit, den von ihm zu zahlenden Preis zu ändern. Es kann lediglich beeinflussen, ob der Erwerb des Nutzungsrechtes überhaupt vorgenommen wird. Um zu verhindern, dass der Abstimmungsteilnehmer seinem Willen ein besonders hohes Gewicht verleiht, indem er seine offengelegte Zahlungsbereitschaft nach oben oder nach unten übertreibt, muss er auch noch zur Zahlung des zweiten Betrages verpflichtet werden. Nach Tidemans Regel entspricht dieser Betrag der Nettonutzeneinbuße, die der Abstimmungsteilnehmer allein durch seinen Einfluss auf die Entscheidung für alle anderen Abstimmungsteilnehmer verursacht. CPDG entspricht mit dem angewendeten DRP nach Clarke (1971) auch dieser Regel: Immer dann, wenn ein einziger Abstimmungsteilnehmer die Abstimmung anders ausgehen lässt, als sie ausgegangen wäre, wenn er sich überhaupt nicht an ihr beteiligt hätte, muss er neben seinem vorher festgesetzten Anteil an den Kosten einen zusätzlichen Betrag zahlen, der dem Wohlfahrtsverlust aller anderen Abstimmungsteilnehmer entspricht. Dieser >>225<< zweite Betrag ist daher nur von Teilnehmern zu zahlen, die pivotal sind, das heißt, dass ihre persönliche Teilnahme entscheidend für den Abstimmungsausgang gewesen ist. Der Betrag wird daher nicht nur Clarke-Steuer, sondern synonym dazu auch Pivotalsteuer genannt; ein alternativer Name für den DRP selbst lautet entsprechend pivotaler Prozess. Ein Beispiel soll den pivotalen Prozess verdeutlichen: Das Computerprogramm megasoft ist im Handel für 500 € erhältlich; ein Konkurrenzprodukt gibt es nicht. Tabelle 5-1 zeigt die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager A-J, welche sich zu einer CPDG-Gruppe zusammengeschlossen haben. Der Hersteller von megasoft könnte lediglich an Nachfrager A verkaufen und 500 € erlösen, da die Zahlungsbereitschaft der anderen Gruppenmitglieder zu niedrig ist. Der Anbieter ist bereit, der Gruppe für 1 000 € ein kollektives Nutzungsrecht an megasoft zu verkaufen. Die Gruppe beschließt, dass von diesem Preis jeder Teilnehmer einen gleichen Anteil in Höhe von 100 € tragen soll. Beim Votum gibt jeder nicht nur an, für welche Entscheidung er ist, sondern auch, was sie ihm wert ist. Nachfrager A, der megasoft im Handel erwerben würde, spart mit CPDG 400 € und stimmt mit einem entsprechenden Wert für den kollektiven Kauf. Ähnlich handeln B-J. Nachfrager F möchte die für ihn sinnlose Ausgabe auf jeden Fall verhindern stimmt mit 1 100 € gegen die Annahme des Angebots, obwohl es ihn nur 100 € kosten würde. Durch die Übertreibung seiner ablehnenden Haltung entscheidet er tatsächlich die Abstimmung: Der Kauf von megasoft wird mit 1 500 zu 1 000 € abgelehnt und F spart 100 €. Bei der Berechnung der Clarke-Steuer stellt sich jedoch heraus, dass ohne F die Entscheidung mit 1 000 zu 400 € für den Erwerb ausgegangen wäre. Durch seine Abstimmungsteilnahme hat F die Abstimmung jedoch gegen den Erwerb entschieden, woraus den anderen Teilnehmern eine Nettonutzeneinbuße in Höhe von insgesamt 600 € entsteht. F muss daher seine Ersparnis in Höhe von 100 € mit einer entsprechend berechneten 600 € hohen Clarke-Steuer bezahlen. Eine Änderung des Abstimmungsergebnisses lohnt sich für einen einzelnen Teilnehmer also nur dann, wenn die dafür zu zahlende Clarke-Steuer maximal ebenso groß ist wie der erzielte Nutzenvorteil gegenüber einem alternativen Abstimmungsausgang. Versucht man hingegen, mit einer Übertreibung seiner eigenen Präferenzen einen besonders starken Einfluss auf das Ergebnis auszuüben, wird man bei erfolgreicher Beeinflussung mit einer Clarke-Steuer belegt, die den persönlichen Nutzen aus dem erreichten Abstimmungssieg möglicherweise weit übersteigt. Auf diese Weise wird jeder Abstimmungsteilnehmer dazu genötigt, seine wahren Präferenzen offenzulegen. >>226<< Tabelle
5-1:
Da eine Entscheidung beim CPDG immer nur zwischen den zwei Möglichkeiten ,,Zustimmung" und ,,Ablehnung" getroffen wird, stellt sich kein Problem mit sogenannten zyklischen Entscheidungen. Diese können nur bei Abstimmungen mit drei oder mehr Entscheidungsoptionen auftreten, bei denen es einer Gruppe nicht gelingt, eine eindeutig ,,beste" Entscheidung zu ermitteln.120 Ebenso wie Mehrheitsabstimmungen ist auch der DRP anfällig für die Bildung von Koalitionen, die die Abstimmungsergebnisse verfälschen. (Vgl. Bennett und Conn 1977; Groves et al. 1977: 108) Die Stabilität einer Koalition ist jedoch stark eingeschränkt, weil ein Bruch der Koalitionsdisziplin durch die Geheimhaltung des Abstimmungsverhaltens sehr leicht gemacht wird. Damit wird der Bruch von Koalitionen zur dominanten Strategie, denn so kann man von der Koalition zwar profitieren, entgeht aber dem Risiko, sehr hohe Clarke-Steuer zahlen zu müssen, falls auch die andere Seite eine starke, aber knapp unterlegene Koalition bildet. Am Beispiel aus Tabelle 5-1 lässt sich das anschaulich erklären. Die Teilnehmer F-J schließen sich zu einer Koalition gegen den Kauf von megasoft zusammen, und jeder soll mit 300 € entsprechend abstimmen, was zusammen >>227<< einen Stimmwert von 1500 € ergibt. Angenommen, die Kaufbefürworter formieren auch eine Koalition und können ihren Wert für ,,Pro" auf 1250 € steigern. Sie würden zwar immer noch die Abstimmung verlieren, jedoch wäre damit plötzlich jedes Mitglied der ,,Kontra"-Koalition pivotal und müsste eine Clarke-Steuer in Höhe von 250 € zahlen. Die Attraktivität einer Koalition sowie ihre Stabilität müssen daher unter deutlichem Vorbehalt betrachtet werden. (Vgl. Tideman und Tullock 1977; Tideman 1997: 236f) Eine weitere Einschränkung der Zuverlässigkeit des DRP, die beim CPDG vernachlässigbar ist, sind sogenannte Einkommenseffekte, die aus der Abhängigkeit der angegebenen Zahlungsbereitschaften von der aktuellen Kaufkraft resultieren. Aus dem Risiko, nach erfolgter Abstimmung eine Clarke-Steuer in ungewisser Höhe zahlen zu müssen, ergibt sich eine Unsicherheit über die tatsächliche Kaufkraft für das zu erwerbende Nutzungsrecht.121 Das auf den Erwerb von Medieninhalten einzusetzende Einkommen stellt aber nur einen sehr geringen Teil des verfügbaren Einkommens dar. Es sollte den Abstimmungsteilnehmern also durchaus zugemutet werden können, Zahlungsbereitschaften anzugeben, die lediglich ,,beste Schätzungen" über die Kaufkraft widerspiegeln. (Tideman und Tullock 1976: 1154) Aufgrund der Kaufkraftabhängigkeit einer in Geld angegebenen Zahlungsbereitschaft üben finanzstarke Teilnehmer im DRP einen überproportionalen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis aus. Auch das ist beim CPDG irrelevant, sofern es gelingt, eine hohe Homogenität der Gruppe hinsichtlich der Kaufkraft ihrer Mitglieder zu erreichen. Auf den Vorschlag von Tullock (1990), zur Verbesserung der Abstimmungsgerechtigkeit Wahlpunkte statt Geld als Abstimmungsmedium einzusetzen, braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden. 5.2.2 Überlegenheit des DRP gegenüber Mehrheitsabstimmungen Der wohl offensichtlichste Vorteil des DRP ist die hohe Genauigkeit, mit der der Wert einer Entscheidung ermittelt wird. Während beispielsweise eine Abstimmung nach der Mehrheitsregel nur überprüft, ob eine Mehrheit der Teilnehmer für ein Vorhaben ist, egal wie stark die empfundenen Vorteile oder Nachteile sind, berücksichtigt eine Entscheidung nach dem DRP das volle Präferenzprofil. Das kann dazu führen, dass beim CPDG der Kauf eines Nutzungsrechtes auch dann noch erfolgt, wenn eine Mehrheit eigentlich gegen den Kauf ist, eine Minderheit aber bedeutende Vorteile im Kauf sieht. Die Effizienz der Abstimmungsergebnisse im DRP kann daher nach der Mehrheitsregel nur dann erreicht werden, wenn die Präferenzen innerhalb >>228<< einer Gruppe symmetrisch verteilt sind. (Tideman und Tullock 1976: 1146) Das ist aber in der Regel nicht einmal annähernd der Fall. So konnte Tideman in einem Experiment mit dem DRP die Entscheidungseffizienz um 2,25 Prozent gegenüber den Ergebnissen mit Mehrheitsabstimmung steigern. (Vgl. Tideman 1983: 400) 5.2.3 Nutzung der Abstimmungsdaten zur Optimierung der Marktsegmentierung und gruppeninternen Preisdifferenzierung Die Abstimmungsdaten des DRP bieten eine extrem genaue Bestimmung der tatsächlichen Marktnachfrage. Sie können damit den Anbietern von Inhalten sehr genaue Informationen darüber geben, welche Arten von Inhalt in welcher Qualität von den Nachfragern benötigt werden und welche Erlöse damit erzielt werden können. Erfahrungen, die man als Anbieter am konventionellen Markt für Inhalte machen kann, bieten keine so klaren Informationen. Der DRP kann damit schon allein durch die Datenproduktion die Markteffizienz und damit die Gesamtwohlfahrt steigern. Die gewonnenen Daten können aber auch genutzt werden, um typisches Abstimmungsverhalten bestimmten nicht manipulierbaren Merkmalen zuzuordnen. Zu diesen ,,allgemeinen Käufermerkmalen" gehören nach Faßnacht (1996: 27) demographische (Region, Geschlecht, Alter, Haushaltsgröße etc.), sozio-ökonomische (Einkommen, Schulbildung, Beruf) und psychographische (Persönlichkeit, Lebensstil) Eigenschaften der Nachfrager. Die Zuordnung von offengelegten Präferenzstrukturen zu allgemeinen Merkmalen kann von entscheidendem Wert sein, wenn allgemeine Vermutungen über das Abstimmungsverhalten noch nicht genau genug sind, um die Gruppen homogen bezüglich der Präferenzprofile zu gestalten. Zusätzlich kann mit den genauen Erwartungen über das Abstimmungsverhalten einzelner Gruppenmitglieder auch eine gruppeninterne Preisdifferenzierung vorgenommen werden, die die Streuung von zustimmendem und ablehnendem Abstimmungsverhalten innerhalb einer Gruppe verringert, was sich wiederum positiv auf die Zufriedenheit der Mitglieder auswirken kann. Wichtig ist jedoch, dass es für einen einzelnen keine Möglichkeit gibt, durch sein Abstimmungsverhalten darauf Einfluss zu nehmen, in welche Gruppe er persönlich aufgenommen wird oder welchen Anteil er am Preis der erworbenen Medieninhalte zu zahlen hat. 5.2.4 Das Haushaltsüberschussproblem Um zu funktionieren, ist der DRP auf die Erhebung der Clarke-Steuern angewiesen. Mit dieser Abstimmungssteuer wird den Teilnehmern am CPDG Kaufkraft entzogen, ohne dass das Geld für den Kauf von Medieninhalten benötigt wird. Deren Finanzierung erfolgt allein über die individuellen >>229<< Beiträge, welche schon vor der Abstimmung den Mitgliedern bekannt sind. Die Einnahmen aus der Clarke-Steuer dienen also ausschließlich als Anreiz, ehrlich abzustimmen, und bilden damit einen Haushaltsüberschuss. Damit die Verwendung des Haushaltsüberschusses den Teilnehmer keine Anreize bietet, von der Angabe ihrer wahren Präferenzen abzuweichen, wäre es am besten und einfachsten, die Mittel zu verschwenden, wie Tideman und Tullock (1976: 1156) vorschlagen. Mit dieser Verschwendung verzichtet man aber auf einen Nutzen, der erzielt werden könnte, ohne irgend jemanden schlechter zu stellen; das Verfahren ist damit nicht pareto-optimal (vgl. Groves und Ledyard 1977; Groves et al. 1977). In einem Experiment mit dem DRP stellte Tideman fest, dass die Clarke-Steuern immerhin einen Betrag in Höhe von 3,04 Prozent des Entscheidungswertes annahmen (Tideman 1983: 399). Der Grund hierfür ist jedoch hauptsächlich in der geringen Zahl der Abstimmungsteilnehmer in den am Experiment teilnehmenden Gruppen zu sehen: Sowohl das Risiko eines einzelnen Teilnehmers, eine Clarke-Steuer zahlen zu müssen, als auch die Höhe dieser Steuer ist proportional zum persönlichen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis. Der Einfluss eines einzelnen ist aber um so kleiner, je weniger sein Abstimmungsbeitrag gegenüber allen anderen Abstimmungsbeiträgen ins Gewicht fällt (vgl. Downs 1957). Bei einer größeren Zahl der Teilnehmer ist daher die von einem einzelnen durchschnittlich zu tragende Clarke-Steuerlast geringer. Tideman und Tullock (1976: 1156) zeigen, dass die Clarke-Steuer eines typischen Abstimmungsteilnehmers in der Größenordnung des individuellen Beitrags zu den Kosten des Abstimmungsgegenstandes geteilt durch die Zahl der Teilnehmer liegt. Die Summe der Clarke-Steuereinnahmen liegt damit in der Größenordnung des Finanzierungsbeitrags eines Teilnehmers.122 Man kann die wohlfahrtsmindernden Effekte der Clarke-Steuer also allein schon reduzieren, indem man die Gruppe vergrößert und so den Anteil der Clarke-Steuer am Gruppenumsatz verringert. Der Wohlfahrtsschaden kann somit vernachlässigt werden, selbst wenn man die Mittel verschwendet. Tideman und Tullock (1976: 1156) schlagen auch vor, die Verschwendung schlicht als Abstimmungskosten zu betrachten, die in ähnlicher Höhe auch bei anderen Verfahren anfallen. Es bieten sich aber auch andere Verfahren an, die eine sinnvolle Nutzung der Erträge aus der Clarke-Steuer ermöglichen und trotzdem nur sehr geringe Reize ausüben, welche das Abstimmungsverhalten >>230<< verfälschen könnten. Gerade in Anbetracht der geringen relativen Höhe des Haushaltsüberschusses bieten sich diese Optionen gegenüber der Mittelverschwendung an. Green, Kohlberg und Laffont (1976) bestätigen zwar, dass mit einer Umverteilung der Clarke-Steuern die Anreize zur ehrlichen Angabe der Zahlungsbereitschaft eingeschränkt werden. Zum Beispiel könnte versucht werden, die Clarke-Steuerzahlungen der anderen Gruppenmitglieder in die Höhe zu treiben, um so in den Genuss einer größeren Umlage zu gelangen. (Green, Kohlberg und Laffont 1976: 386f) Aber auch dieser Effekt nimmt ab, je mehr sich jeder nur als einer unter einer großen Zahl anderer Abstimmungsteilnehmer verstehen muss. Mit ,,asymptotic successfulness" wird daher mit zunehmender Gruppengröße immer noch ein pareto-optimales Ergebnis erreicht. (Green, Kohlberg und Laffont 1976: 389) Dieses Ergebnis könnte auch dann erzielt werden, wenn die Zahl der Umlagebegünstigten dadurch ausgedehnt wird, indem die Clarke-Steuereinnahmen über einen gemeinnützigen Zusammenschluss mehrerer CPDG-Gruppen verteilt werden. Noch einen Schritt weiter gehen Tideman und Tullock (1976: 1154) mit ihrem Vorschlag, dass man mit anderen Gruppen eine gegenseitige Begünstigung vereinbart. Auch ist es denkbar, die erwarteten Clarke-Steuereinnahmen meistbietend schon vor der Abstimmung an Dritte zu versteigern. (Tideman 1997: 239) Auch kann man eine zufällige Auswahl aus der Gruppe treffen, die das exklusive Abstimmungsrecht erhält, während die Clarke-Steuern an alle anderen Mitglieder verteilt werden, die von der Abstimmung ausgeschlossen waren. Nicht minder geschickt ist der Vorschlag von Bailey (1997): Hier erhält jeder Abstimmungsteilnehmer N aus einer Gruppe mit n Mitgliedern einen (n-1)ten Teil der Clarke-Steuereinnahmen von allen anderen (n-N) Mitgliedern. (Vgl. Bailey 1997: 112f) 5.2.5 Stichprobenweise Abstimmungen zur Verfahrensoptimierung Die Einnahmen aus der Clarke-Steuer stellen zwar kein gravierendes Problem für die Effizienz des Abstimmungsverfahrens dar. Trotzdem ist es auf den ersten Blick um so besser, je geringer die durchschnittlichen Clarke-Steuerzahlungen der Teilnehmer im Verhältnis zum Abstimmungswert ausfallen. Daher sollte die Gruppe möglichst groß sein. Wenn die Gruppe sehr groß ist, taucht jedoch ein anderes Problem auf: Die kleinen Clarke-Steuerzahlungen erhöhen nicht nur die Entscheidungseffizienz, sondern sie senken auch die Abstimmungsmotivation. Schließlich repräsentiert die Höhe der durchschnittlich zu erwartenden Clarke-Steuer auch den individuellen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis. Fällt dieser Einfluss mit den zu erwartenden Clarke-Steuerzahlungen auf ein Minimum, bleiben die Anreize zwar gleich, ehrlich abzustimmen, es lohnt sich aber immer >>231<< weniger, überhaupt die Mühe der Abstimmungsteilnahme auf sich zu nehmen. (Vgl. Downs 1957: 135f) Selbst wenn mit Hilfe der Neuen Medien die Stimmabgabe keine besondere technische Mühe mehr zu machen braucht, werden die Anreize zur Informationsbeschaffung zur exakten Bestimmung der eigenen Zahlungsbereitschaft in großen Gruppen möglicherweise zu gering sein. Beim DRP sind diese Anreize für die Abstimmungsteilnehmer jedoch besonders wichtig: ,,The motives they are given for making sensible decisions are somewhat stronger than those for persons engaging in voting under majority rule, but voters will be asked to do more in the way of expressing their preferences than simply saying yes or no." (Tideman und Tullock 1976: 1146) Es gibt daher neben einer zu kleinen Zahl der Teilnehmer einer Gruppe auch eine zu große Zahl, und es muss ein Kompromiss zwischen diesen beiden Extremen geben. Tideman spricht in seinen Veranstaltungen am Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg, Virginia (USA) von einer denkbaren Mitgliederzahl von 50 bis 1 000 Personen. Die Suche nach einer optimalen Gruppengröße versucht das Verhältnis von Clarke-Steuerzahlungen zu Abstimmungsmotivation in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Gelingt es, die Abstimmungsmotivation auf ein hohes Niveau zu führen, wenden die Teilnehmer aber für ihre Informationssuche Kosten auf, die für die Gruppe nur in so weit produktiv sind, als sie Fehlentscheidungen der Gruppe aus Ungenauigkeit bei der Zahlungsbereitschaftsangabe verhindern. Green und Laffont (1977b) schlagen an dieser Stelle vor, mit der Begrenzung auf eine repräsentative Stichprobe die Zahl der Abstimmungsteilnehmer zu optimieren, zugleich aber auch das für die gesamte Gruppe repräsentative Ergebnis auf die ganze Gruppe zu übertragen. Die optimale Größe dieser Stichprobe hängt dann ab von (1) der Risikoaversion der Mitglieder, (2) den Kosten der Informationsbeschaffung, (3) dem wahrscheinlichen Einfluss der Information auf die angegebene Zahlungsbereitschaft und (4) der Größe der Gruppe. (Vgl. Green und Laffont 1977b) Man könnte mit dem Verfahren von Green und Laffont (1977b) beispielsweise die Summe aller Transaktionskosten des CPDG-Verfahrens für ein Gruppenmitglied zehnteln, indem man die Gruppengröße auf das zehnfache ausdehnt, aber nur noch eine zufällige Auswahl jedes zehnten Mitgliedes an der Abstimmung über ein Angebot beteiligt. Die erhobenen Clarke-Steuern könnten dann mit minimalem Einfluss auf die Abstimmungsmotivation an alle anderen Gruppenmitglieder verteilt werden. Wird eine Vielzahl von Abstimmungen durchgeführt, so sind die Wahrscheinlichkeiten für alle Mitglieder gleich, (1) auf ein Abstimmungsergebnis Einfluss nehmen zu können, (2) Clarke-Steuern zahlen zu müssen und (3) von der Umlage aus den Clarke-Steuerzahlungen anderer Gruppenmitglieder begünstigt zu werden. Es sind lediglich Vorkehrungen gegen Bestechungsversuche durch Gruppenmitglieder oder die Anbieter notwendig. In der Regel sollte dafür die Geheimhaltung der >>232<< Identität der Abstimmungsteilnehmer und des Abstimmungsverhaltens ausreichen. Mit einer naheliegenden Variation des Verfahrens von Green und Laffont (1977b) lässt sich sogar das ökonomisch gravierenste Problem des CPDG lösen. Bereits in den Kapitel 5.1.2 und 5.2.1 wurde erläutert, dass das Risiko scheiternder Abstimmungen unerlässlich ist, um die Abstimmungsteilnehmer zu ehrlichem Abstimmungsverhalten zu beweben. Leider führen erfolgreiche Abstimmungen regelmäßig zu Erlösen unterhalb der aggregierten Zahlungsbereitschaft der Gruppe, und scheiternde Abstimmungen schließen die Gruppe vollständig von der Inhaltenutzung aus und der Anbieter erzielt überhaupt keinen Erlös. Die Bedeutung beider Effekte kann nahezu vollständig vermindert werden indem nur noch Stichproben über einzelne Angebote mit Hilfe des DRP abstimmen, die offengelegte Zahlungsbereitschaft jedoch den in jedem Fall von allen anderen Gruppenmitgliedern zu zahlenden Preis bestimmt: Angenommen, eine Stichprobe von einem Prozent einer 10 000 Mitglieder großen Gruppe lehnt ein einzelnes Angebot ab. In diesem Fall zahlen die 100 Abstimmungsteilnehmer eventuell anfallende Clarke-Steuern und werden von der Nutzung des Inhaltes ausgeschlossen. Die übrigen 9 900 Gruppenmitglieder erhalten jedoch den Inhalt zur Nutzung und zahlen einen ihrer wahrscheinlichen Zahlungsbereitschaft entsprechenden Preis. Auf diese Weise kann fast jeder Inhalt jedem Menschen zur Nutzung bereitgestellt werden, und es gelingt den Anbietern, von fast jedem Menschen Lindahl-Preise für ihre Leistungen zu erzielen. Im Folgenden soll daher nur noch vom CPDG mit dieser Verfahrensoptimierung die Rede sein, falls nicht anders erläutert. 119 Eine mathematische Beschreibung dieser Anforderungen findet sich in Green und Laffont (1977a). Eine Darstellung verschiedener anreizkonformer Abstimmungsmechanismen, die neben dem DRP nach Clarke (1971) existieren, bieten Groves und Ledyard (1977) sowie Loeb (1977). Makowsky und Ostroy (1987) weisen nach, dass alle anreizkonformen Abstimmungsmechanismen für öffentliche Güter die Anreizsysteme perfekter Märkte (für private Güter) nachahmen und deshalb zu ähnlich effizienten Ergebnissen führen. 120 Dieser Fall wird im Zusammenhang mit dem DRP unter anderem in Groves et al. (1977), Tideman (1977: 3) und Zhou (1991) ausführlich diskutiert. 121 Tideman (1997: 239f) stellt eine andere Art von Einkommenseffekten vor, die auftritt, wenn aus mehr als zwei Alternativen die beste Lösung ausgewählt werden soll. Dieser Fall kann an dieser Stelle aber ignoriert werden, da er beim CPDG nicht vorkommt. 122 Der Einfluss auf das Abstimmungsergebnis ist natürlich um so geringer, je homogener die Gruppenmitglieder beim CPDG abstimmen. Kaum jemand weicht dann von der durchschnittlichen Abstimmungspräferenz aller anderen so weit ab, dass er das Ergebnis ändert. Die Clarke-Steuereinnahmen fallen daher um so geringer aus, je homogener die Gruppe ist oder je besser gruppeninterne Preisdifferenzierung betrieben wird. (Vgl. Sinn 1986) |
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