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Ökonomie der Medieninhalte.
Allokative Effizienz und Soziale Chancengleichheit in den Neuen Medien
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3.4 Auswirkungen auf die Finanzierungsformen der Medieninhaltenutzung

Die technischen Veränderungen des Inhaltevertriebs bleiben nicht ohne Niederschlag auf die Finanzierungsformen der Medieninhalte. Die bereits in Kapitel 2.5 vorgestellten Methoden des Einzelverkaufs, des Abonnements und der Vermietung von Inhalten ändern sich dabei - bis auf die interaktive Online-Verbreitung - zwar kaum, doch verdienen die Finanzierungen aus Reprographie- und Geräteabgaben, nutzungsabhängigen Zahlungen, Werbung und öffentlichen Mitteln eine eigenständige Würdigung unter dem Gesichtspunkt der Neuen Medien. Zudem soll auch noch die von manchen Autoren hervorgehobene Gratisbereitstellung von Inhalten zur Bildung von Servicebeziehungen oder aufgrund von Altruismus diskutiert werden sowie die wachsenden Möglichkeiten der Inhalteanbieter zur Preisdifferenzierung.


3.4.1 Nutzungsabhängige Mikrozahlungen

Der Vertrieb von Vervielfältigungsstücken von Medieninhalten weist ein offensichtliches Problem auf: Alle Nutzer zahlen einen einheitlichen Preis, welcher auf die tatsächliche Nutzungsintensität keine Rücksicht nehmen kann. Es liegt daher nahe, verstärkt nutzungsabhängige Vergütungen zu fordern, die als pay per use-Verfahren in Kapitel 2.5.1.4 vorgestellt wurden. Ein weiteres Problem besteht bei digitalisierten Medieninhalten darin, dass das Anfertigen von Kopien sehr viel schwieriger zu kontrollieren ist als einzelne Nutzungsvorgänge. ,,For example, making software - whether it's Microsoft's Word or Mike's string compare subroutine - count how many times it has been invoked is easy, but making it count how many times it has been copied is much harder." (Cox 1994)

Das Londoner Unternehmen Magex bietet einen Rundumservice, der es Inhalteanbietern ermöglicht, ihre Produkte sicher zu verschlüsseln und mit individuell gestalteten Nutzungsrechten für einzelne Nutzer auszustatten. Magex wickelt auch die Abrechnung und den Zahlungsverkehr zwischen >>123<< Anbietern und Nachfragern ab, indem es als Clearingstelle sowohl den Inhaltenutzern als auch den Inhalteanbietern eine regelmäßige und zusammengefasste Abrechnung bietet. (Vgl. Magex 2000) Andere technische Lösungen werden von Unternehmen wie eCharge, Millicent, One Click Charge oder Qpass angeboten, welche Internetnutzern die Bezahlung von online abgerufenen Inhalten erlauben, indem Kleinstbeträge von einem per Kreditkarte aufzufüllenden oder zu begleichenden Sonderkonto abgebucht werden (vgl. The Standard 1999). Zero-Knowledge plant sogar, einen vergleichbaren Service vollkommen anonym anbieten zu können (vgl. The Standard 2000).

Das Ergebnis einer zunehmenden Verbreitung von nutzungsabhängigen Mikrozahlungen erzeugt eine "Teilbarkeitsillusion" der Medieninhalte: Während beim Vertrieb von Vervielfältigungsstücken immer ein Inhalt entweder vollständig oder gar nicht erworben wird, ermöglichen die nutzungsabhängigen Zahlungen den Erwerb einzelner Nutzungseinheiten. Obwohl sich an den ökonomischen Eigenschaften des Medieninhaltes nichts ändert, kann der Nutzer jetzt frei bestimmen, wie viel er für einen Inhalt bezahlt, indem er Nutzungsdauer und/oder Nutzungsintensität ausdehnt oder einschränkt.

An dem in Kapitel 4 ausführlich diskutiertem Problem, dass mit dem einheitlichen Preis je Nutzungseinheit immer noch eine suboptimale Nutzung des Inhalts erfolgt, ändern die Mikrozahlungen jedoch nichts. Allerdings zeigen sie für den gegenseitigen Wettbewerb der Anbieter verschiedener konkurrierender Inhalte erhebliche Konsequenzen: Statt möglichst vielen Nachfragern zu einem möglichst hohen Preis das eine Gut mit unlimitierter Nutzungsmöglichkeit zu verkaufen, versuchen die Anbieter beim Vertrieb einzelner Nutzungseinheiten, möglichst viele davon an jeden einzelnen Käufer und zu einem möglichst hohen Preis abzusetzen. Ein Großteil von Kapitel 4 wird sich den aus diesem unscheinbaren Unterschied ergebenden Folgen mit Hilfe ökonomischer Wettbewerbsmodelle widmen.


3.4.2 Werbefinanzierung

Werbung ist die bei weitem verbreiteteste Finanzierungsform für Medieninhalte im Internet. eMarketer (2000) schätzt für das Jahr 2000 Werbeeinnahmen von Internetseiten in den U.S.A. in Höhe von $6,1 Milliarden - 69% mehr als 1999. 50% der Werbebotschaften finden ihren Weg über sogenannte banners zum Betrachter. Die Werbetreibenden bezahlen für die kleinen Anzeigenfelder entweder einen Betrag pro Tausend Betrachter (im dritten Quartal 2000 in der Regel zwischen $5 und $20) oder sie zahlen eine Betrag nur für solche Nutzer, die - den im Banner eingebauten hyperlink nutzend - beim Werbetreibenden zusätzliche Informationen über die beworbenen Güter aufrufen (click-through). Auch das Modell, die Inhalteanbieter durch sogenannte affiliate partnerships am Umsatz zu beteiligen, der mit den von einem >>124<< Inhalteangebot zugeleiteten Nutzern erzielt wird, ist oft anzutreffen [vgl. \Zerdick, 1999 #937: 167].68

Werbung im Internet bietet besondere Vorteile weil der Kampagnenerfolg in Echtzeit und bis auf den einzelnen Nutzer genau verfolgt, gemessen und analysiert werden kann. Zudem gibt es hochentwickelte Systeme, die den einzelnen Internetnutzer beobachten und Profile über ihn anlegen, welche dann zur individuellen Anpassung der ihm präsentierten Werbebotschaften genutzt werden kann.69 Es sollte allerdings erwähnt werden, dass es auch im Jahr 2000 nur sehr wenige Inhalteanbieter im Internet gibt, die allein durch Werbefinanzierung profitabel wirtschaften, und es ist noch nicht abzusehen, wann sich das ändert. Auch bleiben die in Kapitel 2.5.2 aufgeführten Nachteile der Werbefinanzierung in den Neuen Medien bestehen.


3.4.3 Ausweitung der Reprographie- und Geräteabgaben?

Wenn private Vervielfältigungen innerhalb der Neuen Medien durch Schrankenbestimmungen zugelassen werden, liegt es nahe, wie bei den konventionellen Medien auch hier einen entsprechenden, allgemeinen Vergütungsanspruch für die Rechtsinhaber vorzusehen. Für diese Regelung lässt sich argumentieren, dass die aus Abgaben auf Computerspeicher oder Übertragungsleistungen (,,Bit-Steuer") gespeisten Vergütungen keine datenschutzrechtlichen Probleme aufweisen würden (Jansen 1997). Zudem würde eine vollständige Vergütungsfreiheit privater Vervielfältigungen einen unzumutbaren Eingriff in die Verwertungsinteressen der Rechtsinhaber darstellen. Sie stünde damit nicht nur im Widerspruch zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und dem Genfer Übereinkommen, sondern auch zum Grundrecht auf Eigentum. Jedoch lässt sich gegen einen allgemeinen Vergütungsanspruch in den Neuen Medien argumentieren, dass

(1) zunehmend technologische Maßnahmen verfügbar werden, die die Schrankenbestimmungen der privaten Nutzung verzichtbar machen oder schlicht deren Inanspruchnahme verhindern können, >>125<<

(2) Abgaben auf Datenspeicher und Übertragungsleistungen in noch schlechterer Äquivalenz zur tatsächlichen Wahrnehmung der Schrankenbestimmungen stehen, als dies bei den traditionellen Medien der Fall ist70,

(3) die leistungsgerechte Verteilung der Einnahmen auf die Rechtsinhaber schwieriger wird, weil die geringen Veröffentlichungskosten in den Neuen Medien eine Vielzahl von Angeboten zulassen, deren eventuelle ökonomische Bedeutungslosigkeit jedoch nur schwer festzustellen ist und dass

(4) Legitimationsprobleme bei der Koexistenz technologischer Maßnahmen zur leistungsgerechten Vergütung einerseits und allgemeiner Abgaben auf die dafür genutzten Güter andererseits auftreten und die Nutzer daher gute Grunde hätten, eine doppelte Bezahlung derselben Leistung zu verweigern.

Allgemeine Vergütungsansprüche in den Neuen Medien würde eine leistungsgerechte Steuerung des Inhalteangebots daher noch weniger erreichen als ihnen dies in den traditionellen Medien gelingt. Statt dessen ist zu befürchten, dass die allgemeinen Abgaben lediglich die Nutzung der Neuen Medien verteuern und ihre wirtschaftliche Entwicklung hemmen würden. Die ursprünglich von der Europäischen Kommission in den Entwürfen einer EU-Urheberrechtsrichtlinie vorgesehene Vergütungspflicht wurde daher - auf Druck der ,,Telekom-Unternehmen, Kabelnetzbetreiber, Internet-Service- und Access-Provider aus der ganzen Welt" im Richtlinienvorschlag wieder gestrichen (Jansen 1997).

Während es die Kommission damit den Mitgliedstaaten freistellen wollte, allgemeine Abgaben auf Datenträger und Netzdienste zu erheben, setzte das Europäische Parlament mit der Änderung 3771 jedoch wieder eine extrem restriktive Position durch. Die privaten Vervielfältigungen sind danach nur noch dann zulässig, ,,wenn keine verläßlichen und wirksamen technischen Mittel zum Schutz der Interessen der Rechtsinhaber zur Verfügung stehen. Für jede private digitale Vervielfältigung muß daher eine angemessene Vergütung für alle Rechtsinhaber sichergestellt werden" (Europäisches Parlament 1999). Ob sich diese Haltung in der gesamten Europäischen Union oder in einzelnen Mitgliedstaaten durchsetzen wird, ist noch nicht absehbar. In Deutschland gibt es gegenwärtig nur eine den analogen Tonträgern entsprechende Abgabe auf DAT-Bänder und Minidisks (auf Grundlage der zeitlichen Kapazität). In den USA dagegen gibt es - auch nach dem Digital Millenium Copyright Act - überhaupt keine derartigen Abgaben. >>126<<


3.4.4 Preisdifferenzierung der Inhalteanbieter

Kapitel 4 wird deutlich machen, dass Preisdifferenzierung der Schlüssel für ein besseres Funktionieren des Marktes für Medieninhalte ist. Im Rahmen der Diskussion der Auswirkungen der Neuen Medien ist dabei festzustellen, dass diese die Möglichkeiten zur Preisdifferenzierung auf vielfältige Weise verbessern (vgl. Waterman 1990: 302): (1) Es kann eine Vielzahl unterschiedlich hochwertiger Versionen eines Medieninhalts angeboten werden, ohne dabei durch begrenzte Lager- oder Präsentationskapazitäten des Einzelhandels eingeschränkt zu sein. (2) Die technologischen Maßnahmen der Nutzungskontrolle werden möglicherweise dazu beitragen können, ein willkürliches Unterlaufen der Preisdifferenzierung durch die Nachfrager (Arbitrage) zu verhindern. So können verschiedene Marktsegmente mit dem gleichen Medieninhalt zu unterschiedlichen Preisen bedient werden, ohne einen großen Aufwand für künstliche Marktspaltung betreiben zu müssen. (3) Die Preise können praktisch stufenlos im Lauf der Zeit gesenkt werden. Die geringe Zahl getrennter Verwertungsfenster mit festen Preisen (vgl. Kapitel 2.5.8) wird damit ersetzt durch optimal abgestimmte, kontinuierliche Preissenkungen, wobei - im Gegensatz zur traditionellen Verwertungskaskade - alle denkbaren Angebotsqualitäten gleichzeitig angeboten werden können. Tatsächlich stellen Arnold und Arnold (1997: 25-27) in den Neuen Medien ein Verschwinden der einheitlichen Preise für Medieninhalte fest:

    ,,In 1997, prices are crazy. Companies offer the same product under different names in different channels for different prices. Others have no price, just a commitment to negotiate, like BBN planet's Internet Service Provider unit. The pricing matrix has many boxes, dimensions, and variables. Prices for information products are fluid and often impossible to determine by looking at a one-page price sheet."

Im Vergleich zum konventionellen Vertrieb von Vervielfältigungsstücken mit uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten zum einheitlichen Preis können auch die in Kapitel 3.4.1 vorgestellten nutzungsabhängigen Mikrozahlungen als Preisdifferenzierung gesehen werden. Die Wohlfahrtswirkungen der Preisdifferenzierung werden dabei als grundsätzlich positiv bewertet (vgl. Stoller 1992: 399f; Waterman 1990: 302); Kapitel 4 wird auf diese Frage noch sehr ausführlich eingehen.


3.4.5 Sharewarevertrieb

Beim Sharewarevertrieb handelt es sich eigentlich weniger um eine Finanzierungsart als um eine Vertriebsmethode von Computerprogrammen. Mit dem Sharewarevertrieb machen sich die Softwareanbieter die extrem niedrigen Verbreitungskosten von Medieninhalten in den Neuen Medien nutzbar. Es bleibt den Nutzern in der Regel wie beim superdistribution-Modell freigestellt, Kopien von Programmen an Dritte weiterzugeben oder öffentlich zugänglich >>127<< zu machen. Jedem Nutzer wird eine begrenzte Zeitspanne oder eine andere begrenzte Nutzungsmöglichkeit eingeräumt, um die Software auszuprobieren. Bei Gefallen muss eine Nutzungslizenz gekauft werden, um das Programm ohne Einschränkungen und legal weiternutzen zu können. (Vgl. Gehring 1996) Wegen der minimalen Vertriebskosten können die Preise für Shareware so niedrig gesetzt werden, dass die Zahlungsmoral zur Deckung der Entwicklungskosten auch dann ausreicht, wenn keine Nutzungseinschränkungen der Software bei unvergüteter Weiternutzung drohen.72 Da die Preise oft so niedrig sind, dass der Bezahlungsaufwand höher erscheint als der Zahlungsbetrag selbst, sind für den Sharewarevertrieb auch durch den elektronischen Zahlungsverkehr positive Impulse zu erwarten (Barlow 1996: 105).


3.4.6 Gratisvertrieb von Medieninhalten zur Bildung von Servicebeziehungen

Der Vorschlag zum kommerziellen, nicht werbefinanzierten Gratisvertrieb von Medieninhalten kommt hauptsächlich von der amerikanischen Unternehmerin, Investorin, Autorin, Wirtschafts- und Politikberaterin Esther Dyson. Er gründet auf dem Phänomen, dass das nahezu vollständige Verschwinden der Veröffentlichungskosten zu einer Flut von Inhalten führt, während die Aufmerksamkeit der Nachfrager begrenzt bleibt. Der Wettbewerb der Inhalteanbieter um die Kundenaufmerksamkeit wird die Preise so weit senken, dass die mit dem Bezahlen verbundenen Transaktionskosten eine unverhältnismäßige Höhe einnehmen. Viele Anbieter werden dann dazu übergehen, ihre Inhalte gratis anzubieten. Auf diese wird sich die Nachfrage konzentrieren, und kostenpflichtige Inhalte werden schlicht abgelehnt. (Vgl. Dyson 1997: 181-200)

Statt zwanghaft nach Methoden zu suchen, die diese Entwicklung aufhalten können, sollten sich Inhaltsanbieter bereitwillig auf die neue Situation einstellen und über die verbreiteten Inhalte Beziehungen zum Verkauf kostenpflichtiger Mehrwertdienste oder -güter aufbauen: ,,We are not saying that content is worthless, or that you can get it for free. What we are saying is that content providers should manage their businesses as if it were free, and then figure out how to set up relationships or develop ancillary products and services that cover the costs of developing content." (Dyson 1994) Mögliche Aktivitäten zur Finanzierung von Inhalten bestehen zum Beispiel im Verkauf >>128<< von Spielzeug oder Logos (für Spielfilme oder Fernsehserien), in kostenpflichtigen Vorträgen mit persönlicher Anwesenheit des Autors (für gratis verbreitete Buchinhalte), im Verkauf von Gütern die im Zusammenhang mit den vertriebenen Inhalten stehen, sowie in Kundendienst und Schulungen (für Computersoftware) (vgl. Dyson 1997: 188; Dyson 1996).

Es gibt tatsächlich eine Vielzahl von Beispielen, die den Erfolg einer solchen Strategie nahe legen. Sehr bekannt ist die Praxis der Rockband The Grateful Dead, die das Mitschneiden (bootlegging) durch Konzertbesucher ausdrücklich begrüßten - dies erhöhte ihren Bekanntheitsgrad, und mehr Leute kauften ihre Platten und besuchten ihre Konzerte (Barlow 1996: 97). Ein anderes Beispiel sind die (teilweise sehr teuren) telefonischen Kundendienste der Softwarehäuser, die allerdings auch nur dann genutzt werden können, wenn man registrierter Nutzer ist. Ob diese indirekten Finanzierungen allerdings den richtigen Weg aufzeigen, die Versorgung mit hochwertigen Inhalten zu gewährleisten, kann bezweifelt werden, da der Bezug der kostenpflichtigen Leistung zu den lediglich mitfinanzierten Inhalten oft eher gering ist.


3.4.7 Altruismus und immaterielle Kompensation der Urheber

Die große Leichtigkeit, in den Neuen Medien selbst zum Inhalteanbieter zu werden, ermöglicht eine große Zunahme von Angeboten, deren Erstellung vollkommen immateriell motiviert ist. Kuhlen (1995: 3-8) grenzt diesen Bereich vom übrigen ,,Informationsmarkt" als ,,Informationsforum" ab, welches durch ein ,,interessenloses Wohlgefallen am freien Wissensaustausch" motiviert ist. Neben echtem Altruismus sind die Anbieter durch die Anerkennung der persönlichen Leistung durch Dritte motiviert, was vor allem bei Entwicklern von Computerprogrammen (vgl. Siegele 1998) und bei Wissenschaftlern (vgl. Priest 1994: 37) beobachtet werden kann.73 Der größte Nachteil dieser immateriellen Motivation besteht darin, dass sie in einem zufällig gewählten Verhältnis zu dem Nutzen steht, den die Nachfrager von >>129<< diesen Inhalten erzielen. Es ist leicht vorstellbar, dass die immaterielle Motivation nicht ausreicht, um ein optimales Inhalteangebot bereitzustellen. Der Erfolg vieler nicht kommerzieller Computerprogramme kann daher durchaus Anlass zu der Spekulation geben, dass der materiell motivierende Inhaltemarkt nicht zufriedenstellend funktioniert.

Als das erfolgreichste Beispiel für einen Medieninhalt, dessen Herstellung ausschließlich immateriell motiviert ist, gilt das auf den finnischen Programmierer Linus Torwalds zurückgehende Computer-Betriebssystem Linux. Ende 1990 schrieb Torwalds mit Linux eine Alternative zum kommerziellen Profibetriebssystem Unix und stellte es mitsamt dem - für die Weiterentwicklung unentbehrlichen - Programmquellkode allen interessierten Menschen im Internet zur Verfügung. Nach dem Prinzip des copyleft unterwarf er sein Werk den Regeln der General Public Use Licence (GPL), welche von der Free Software Foundation aufgestellt wurden. Entsprechend verzichtete Torwalds auf alle kommerziellen Rechte an seinem Werk, gab den Quellkode frei und gestattete anderen Entwicklern, sein Werk nach Belieben zu verbessern.

Nach den Regeln der GPL unterliegen auch alle abgeleiteten Werke den gleichen Bedingungen des allgemeinen gültigen Nutzungs- und Veränderungsrechts - kostenlos und ohne weitere Bedingungen. Auf diese Weise entfallen bei den unter die GPL gestellten Werke vollständig die großen Barrieren in Form von Transaktionskosten und Lizenzverweigerungen, die bei der vollständigen Wahrnehmung des Urheberschutzes durch viele kommerzielle Programmentwickler auftreten. Gerade hier scheint der Grund für den erstaunlichen Erfolg des ständig optimierten Linux-Betriebssystems zu liegen: Weltweit gibt es bereits sieben Millionen Nutzer, ,,Tendenz: kräftig steigend", und kein anderes Betriebssystem ,,bekommt von seinen Nutzern so gute Noten [. . .] - vor allem im Vergleich zu Windows NT, der Profiversion des Betriebssystems von Microsoft." (Siegele 1998) Ebenfalls auf der GPL beruht das mit 50 Prozent Marktanteil (Zerdick et al. 1999: 193) sehr erfolgreiche Internet-Serverprogramm Apache und zahlreiche Programme für das Unix-Betriebssystem. (Vgl. Barrow 1997: 83; Siegele 1998)


3.4.8 Gratisbereitstellung der Inhalte durch die öffentliche Hand?

Öffentliche Bibliotheken nehmen ihren Bildungsauftrag hauptsächlich wahr, indem sie Vervielfältigungsstücke von urheberrechtlich geschützten Werken unentgeltlich an ihre Nutzer verleihen. In den Neuen Medien wird es eine entsprechende Schrankenbestimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung von Werken durch öffentliche Einrichtungen vermutlich nie geben (vgl. Kapitel 3.3.3). Es wäre jedoch denkbar, dass Bibliotheken eine vertragliche Nutzung der Werke mit den Rechtsinhabern vereinbaren. Rothman (1998) schlägt zum Beispiel für sein TeleRead-Projekt vor, dass der Staat eine >>130<< Datenbank mit digitalisierten Büchern anlegt, von der die Texte kostenlos zur Wiedergabe auf Bildschirmen oder electronic books von allen Bürgern heruntergeladen werden können. Die Autoren sollten dann entweder eine für jeden Abruf ihrer Werke vorher vereinbarte oder eine pauschale Vergütung erhalten.

Ob sich Vorschläge dieser Art politisch durchsetzen werden, ist jedoch eher ungewiss. Zwar haben sie große bildungspolitische Reize, da die Verfügbarkeit von (erwünschten) Inhalten für alle sozialen Schichten erheblich verbessert werden würde, und mit dem Abgabepreis von null wäre auch der urheberschutzbedingte Wohlfahrtsverlust aufgrund von Unternutzung (vgl. Kapitel 2.3.3) beseitigt. Allerdings wäre es schwierig, eine leistungsgerechte Vergütungshöhe für die Rechtsinhaber zu finden und gemeinsam zu vereinbaren. Die einem Markt noch am ehesten zuzutrauende Angebotssteuerung könnte so erheblich gestört werden. Außerdem wäre unklar, nach welchen Kriterien eine Auswahl der zugänglich gemachten Inhalte getroffen werden sollte. Hier müssten die staatlichen Einrichtungen erheblich weitgreifendere Werturteile als bisher fällen - mit unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit. Auch die Gefahr von Korruption bei der Vereinbarung und Verwaltung der Vergütungszahlungen müsste wirksam kontrolliert werden können.

Die Schwierigkeiten einer staatlichen Bereitstellung von Inhalten in den Neuen Medien können letztendlich kaum vollständig erfasst werden. Schon die allein durch theoretische Überlegungen zu erwartenden Probleme erfordern eigentlich eine so ausgiebige Darstellung wie sie in Kapitel 2.5.5 für die öffentliche Rundfunkfinanzierung erfolgte. Ohnehin geht der tatsächliche Trend hin zu freien Inhaltemärkten, wie Kuhlen (1995: 9) feststellt:

    ,,[N]ichts scheint unbestrittener zu sein als die Entwicklung des Informationsmarktes in Richtung eines auf internationale Konkurrenz und Wettbewerb angelegten Austauschs von Informationsprodukten und Informationsdienstleistungen, der staatlicher Einflußnahme weitgehend entzogen ist und damit Prinzipien der liberalen Marktwirtschaft folgen kann."

    68 Auch hier sind die aktuellsten Daten im Internet abzurufen, entweder bei www.cyberatlas.com oder www.emarketer.com.

    69 Ein Beispiel hierfür ist die von DoubleClick patentierte DART-Technologie oder die Konkurrenzprodukte von 24/7 Media oder Engage. Diese Technolgien werden von den sogenannten advertising networks eingesetzt, um gezielte Werbebotschaften in die von einzelnen Internetnutzern empfangenen Medieninhalte einzufügen, wobei sowohl Medieninhalte als auch Werbebotschaften von einer Vielzahl angeschlossener Unternehmen beigetragen werden. Als zentrale Schnittstellen sammeln die advertising networks Informationen über Internetnutzer, erheben von den Werbetreibenden die vereinbarte Werbegebühr und leiten einen Teil dieser Gebühren weiter an die Inhalteanbieter.

    70 Hier sind vor allem (1) die umfangreichen Nutzungen der Güter für die Speicherung und Übertragung von nicht urheberrechtlich geschützten Leistungen, (2) die unterschiedliche Datenintensität unterschiedlicher Inhaltearten (z.B. Bewegtbilder verglichen mit schriftlichen Texten) und (3) die unterschiedlich wirksamen Methoden zur Datenkompression zu nennen.

    71 In Artikel 5 Absatz 2 b)a (neu).

    72 Diese - an sich illegale - Weiternutzung ist für den Programmhersteller im übrigen von größerem Vorteil als wenn das Produkt von einem nicht zahlungsbereiten Kunden überhaupt nicht mehr genutzt werden würde: Über Netzwerkeffekte (vgl. Kapitel 2.2.8.3) wird die Attraktivität der Programmnutzung für Dritte so weit gesteigert, dass deren Bereitschaft wächst, eine (lizenzierte) Version zu erwerben. Insofern kann man auch bei Shareware entfernt von Preisdifferenzierung sprechen, da die Nutzer, die die Zahlung einer monetären Vergütung verweigern, dem Anbieter durch die positiven Netzwerkexternalitäten wenigstens bei der Vermarktung behilflich sind.

    73 Ebenso wie bei unentgeltlichen Publikationen von Wissenschaftlern und Musikern ist aber auch hier ein ,,Motivationsmix" zu erwarten, der zumindest unterschwellig auch materielle Anreize beinhaltet. So werden sich diese Inhalteanbieter von einem hohen Bekanntheitsgrad und einer guten Reputation möglicherweise auch bessere Beschäftigungsangebote, Forschungsaufträge oder Plattenverträge erhoffen. Die Unterscheidung zwischen Altruismus und dem kommerziellen Ziel zur Bildung von Servicebeziehungen (vgl. Kapitel 3.4.6) oder sogar dem Sharewareprinzip (vgl. Kapitel 3.4.5) führt daher nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. In gewissem Sinne können die gratis angebotenen Inhalte dann sogar als eine Art der Werbefinanzierung aufgefasst werden, wobei die Unterscheidung zwischen dem Inhalteanbieter und dem Werbetreibenden entfällt. Bei professionellen Wissenschaftlern gehören regelmäßige Veröffentlichungen sogar zu den unmittelbaren und bezahlten Aufgaben des Arbeitsverhältnisses, so dass auch hier die immaterielle Motivation möglicherweise nur eine geringe Rolle spielt.

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