Ökonomie
der Medieninhalte. 3.5 Gleicher Zugang zu Inhalten als Voraussetzung sozialer Chancengleichheit Mit den neuen technischen Möglichen, vor allem durch die Multimedialität und Interaktivität, erhalten die Inhalte in den Neuen Medien Nutzungsmehrwerte, die sie nicht nur wertvoller für die Unterhaltung, sondern auch für die Ausbildung von Menschen machen. Pilotprojekte in Unternehmen und Universitäten zeigten, dass die Vorteile der Ausbildung durch die Neuen Medien vor allem in ihren dezentralen und flexiblen Einsatzmöglichkeiten sowie in ihrer guten Verständlichkeit und ihrem hohen Lernerfolg liegen >>131<< (Booz·Allen & Hamilton 1997b: 38). Eine zunehmende Bedeutung von Medieninhalten in der Ausbildung ist auch aufgrund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen zu erwarten. So wird sich das Lernen schon deshalb zunehmend aus den Schulen und den Universitäten heraus verlagern, weil man auf lebenslanges Lernen angewiesen ist, um Wissen und Fähigkeiten auf einem aktuellen Stand zu halten (vgl. Noam 1995; Tabscott 1996: 237). Zusätzlich ist davon auszugehen, dass aufgrund der zunehmenden Aufgabenspezialisierung und Anforderungswechsel die Lernbedürfnisse immer individueller werden. Der klassische, frontal vermittelnde Gruppenunterricht ist für solche Anforderungen nicht flexibel und individuell genug. Während Medieninhalte in der Ausbildung eine zunehmend wichtigere Rolle einnehmen werden, ist zugleich ein hoher Bildungsstand eine immer wichtigere Voraussetzung für gleiche Chancen auf wirtschaftliche ebenso wie auf gesellschaftliche Teilhabe: ,,In einer Informations- und Wissensgesellschaft [. . .] prosperieren die Menschen weniger gemäß dem, was sie in der Hand oder auf der Bank haben, als gemäß dem, was sie mit ihren Köpfen tun können." (Dyson 1997: 110) Während der chancengleiche Zugang zu schulischer und universitärer Ausbildung anerkannter Teil staatlicher Aufgabenwahrnehmung ist, gilt Gleiches nicht unbedingt auch für den Zugang zu Medieninhalten. Dieser scheint im Gegenteil dem freien Markt überlassen zu werden, und hier herrscht das Preisausschlussprinzip trotz der Nichtrivalität im Konsum: Wer den geforderten Preis für einen Inhalt nicht zahlen kann, darf ihn nicht nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die mangelnde Zahlungsbereitschaft auf Interessemangel oder Armut beruht. Anderson (1995: 197) befürchtet wegen der ,,massiven Ungleichheiten des Zugangs zu Foren und Informationsquellen", dass sich soziale Ungleichheiten reproduzieren. Haywood (1995: ixf) widmet sein Werk ,,Info-Rich - Info-Poor" der Tatsache, dass ,,the opportunities access to information can bring have never been, and are unlikely to be, distributed evenly among the members of any community, rich or poor, large or small." Unter dem bereits in Kapitel 2.3.3 vorgestellten Phänomen des Wohlfahrtsverlustes aufgrund von Unternutzung leiden also die materiell ärmsten Nachfrager am stärksten. Die nicht autorisierte ,,Selbstversorgung" (Pethig 1988: 492) mit Inhalten, die in den konventionellen Medien das Versorgungsniveau zumindest teilweise nivelliert (vgl. Kapitel 2.3.4), wird zudem in den Neuen Medien durch technologische Maßnahmen der Rechtewahrnehmung wirksam verhindert (vgl. Kapitel 3.1.1.2). Wenn der Zugang zu Medieninhalten zu einer wichtigen Voraussetzung sozialer Chancengleichheit wird, der Markt jedoch keinen gleichen Zugang gewährleisten kann, so muss der Staat korrigierend eingreifen (vgl. Dussollier 1998). Dass die Sicherung von Chancengleichheit zu den staatlichen Aufgaben zählt, ist im Grundsatz unbestritten (vgl. Hagel 1993: 268; Koller 1994: 103). Ein Mittel zur Sicherung der Chancengleichheit könnte in >>132<< der staatlichen Garantie einer ,,Universalversorgung" mit Medieninhalten bestehen - eine Wortschöpfung aus der durch den öffentlichen Rundfunk in Deutschland zu leistenden ,,Grundversorgung" sowie dem ,,Universaldienst" des allgemeinen Zugangs zu Telekommunikationsdienstleistungen. In den USA wird der staatlich garantierte universal service bereits zunehmend auch als Universalversorgung mit Information definiert (Kubicek und Wagner 1995: 182). ,,In der aktuellen deutschen Telekommunikationsgesetzgebung wird zwar die Bezeichnung `Universaldienst', nicht jedoch das weite inhaltliche Verständnis aus den U.S.A. übernommen." (Kubicek 1996: 163) Eine Möglichkeit einer solchen Universalversorgung besteht in der Einrichtung von umfangreichen Inhaltedatenbanken durch öffentliche Bibliotheken, wie sie von Rothman (1998) mit dem TeleRead-Modell projektiert wird; einen ähnlichen Vorschlag macht Dussollier (1998). Auch die Europäische Kommission (1995: 59) hebt die zukünftige Rolle öffentlicher Bibliotheken hervor: ,,Sie ermöglichen die Verbreitung von Wissen und gewähren einem größtmöglichen Personenkreis Zugang zu kulturellen Werken und Information. Es ist daher wichtig, daß sie auch im digitalen Umfeld ihre Aufgabe unter den geringstmöglichen Einschränkungen wahrnehmen können." Kubicek und Wagner (1995: 183) nennen neben dem freien Zugang über Bibliotheken als staatliche Handlungsmöglichkeiten ,,inhaltliche Bestimmungen", wonach bestimmte Inhalte gratis oder billig zugänglich gemacht werden müssen sowie ,,finanzielle Zuschüsse für Nutzer", damit sie sich (marktneutral) mit Informationen versorgen können. Eine etwas andere Auffassung zur Gewährleistung chancengleichen Zugangs zu Inhalten hat Noam (1995). Er stimmt zwar zu, dass öffentliche Bibliotheken mit neuartigen Angeboten zur Problemlösung beitragen können, doch werde der Zusammenhang zwischen materieller Armut und ,,Informationsarmut" weniger deutlich ausfallen als allgemein erwartet wird. Noam geht vielmehr davon aus, dass es den Inhalteanbieter über verbesserte Formen der Preisdifferenzierung gelingen wird, auch Käuferschichten mit geringerer Kaufkraft zu erreichen.74 Probleme seien eher durch eine ungleiche Verteilung von Medienkompetenz zu erwarten: Den Jüngeren und den Gebildeteren werde es verhältnismäßig leicht fallen, in den Neuen Medien zu ,,navigieren" und die gesuchten Inhalte zu finden, während bloßer materieller Reichtum nicht vor Informationsarmut schützen werde. >>133<< |
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